
Bücher gelten für viele von uns als ein Ort der Zuflucht - ein Ort, an dem wir der Realität für einen Moment entfliehen und in eine fremde Welt eintauchen können. Oft hört man Sätze wie: "Kann ein Buch nicht einfach unpolitisch sein?" Oder: "Ich will doch nur eine Geschichte lesen, ohne dass mir Politik aufgezwungen wird."
Doch egal wie sehr eine Geschichte uns auch verzaubern kann, eine Wahrheit bleibt bestehen: Bücher sind immer politisch. Sie können nicht nicht politisch sein!
Jedes literarische Werk ist ein Spiegel der Gesellschaft, in der es geschrieben wurde, auch wenn dies in vielen Fällen nicht bewusst geschieht. Selbst der Versuch einer "unpolitischen" Geschichte, ist eine politische Entscheidung. Es ist das unbewusste oder sogar bewusste Ausblenden von Perspektiven, das Ignorieren von Ungleichheit und das Stillhalten in einer Welt, die sich ständig verändert und in der jede Stimme zählt.
Aber was bedeutet "politisch" überhaupt?
Ich glaube bevor ich genauer auf das gesamte Thema eingehe, ist es sinnvoll diesen Begriff einmal genauer zu betrachten und zu erläutern.
Politik beschränkt sich nicht bloß auf die Parteiprogramme, Debatten im Parlament oder die Zeit um die Wahlen rum und die Wahlen an sich. Politik ist und bleibt allgegenwärtig und zeigt sich nahezu überall - in unseren Überzeugungen, in den gesellschaftlichen Normen, in Machtstrukturen, die unser Leben prägen und in den Fragen, die wir (uns) stellen:
- Wer hat überhaupt Macht?'
- Wer wird übersehen und wer wird gehört?
- Was gilt heutzutage als "normal" und warum ist das so?
Wir finden Politik in der Art wie wir leben, lieben und arbeiten. Sie ist überall dort, wo Macht, Gerechtigkeit, Identität und Freiheit verhandelt werden.
Und genau diese Themen werden in der Literatur reflektiert - egal ob nun bewusst oder unbewusst. Jedes Buch enthält Entscheidungen, die entweder bestehende Strukturen infrage stellen, oder aber diese bestätigen.
Die Illusion der „unpolitischen“ Geschichte
"Es ist doch einfach nur eine Geschichte und hat nichts mit Politik zu tun" ist etwas, dass man gerade im Zusammenhang mit Fantasy- oder Unterhaltungsliteratur oft hört. Doch selbst die scheinbar harmlosen Erzählungen tragen eine politische Botschaft in sich.
Ein Beispiel: Ein Roman, in dem alle Hauptfiguren heterosexuell, weiß und männlich sind, trägt eine Botschaft. Es ist klar, wer hier im Mittelpunkt steht und wessen Geschichte erzählt und gehört wird und wessen nicht. Das Weglassen der Diversität in diesem Beispiel, ist ebenfalls eine politische Entscheidung - es wird eine bestimmte Weltanschauung wiedergespiegelt.
Jetzt würde man vielleicht denken "Aber Kinderbücher sind doch bestimmt neutral" - falsch gedacht!
Es fängt schon mit Kinderbüchern an. Es werden Werte vermittelt und es wird gelehrt was "gut" und was "böse" ist. All das prägt das Weltbild junger Leser*innen, die diese Ansichten vorher möglicherweise noch gar nicht so hatten.
Romane wie George Orwells "1984" oder Margaret Atwoods "Der Report der Magd" sind zum Beispiel offensichtlich politische Literatur. Aber auch Bücher die nicht offensichtlich politische Literatur sind, können gesellschaftskritisch sein - oft ist es dort subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll.
Denken wir hier einmal an zwei sehr bekannte Buchreihen - die "Harry Potter"-Reihe von J.K. Rowling thematisiert Dinge wie Diskriminierung, Machtmissbrauch und den Wiederstand gegen autoritäre Systeme. Die "Tribute von Panem"-Reihe von Suzanne Collins kritisiert beispielsweiße Konsumgesellschaften und soziale Ungleichheit.
Ihr seht also, selbst die Bücher die auf den ersten Blick nicht unbedingt wie politische Literatur wirken, tragen eine politische Botschaft in sich.
Der Wunsch nach "unpolitischer" Literatur kommt meist von den Leuten, die privilegiert sind. Von Menschen, die in einer Welt leben, in der ihre Identität, ihr Glaube oder ihre Lebensweise als "normal" angesehen sind
Wenn jemand sagt: "Ich will keine Politik in meinen Büchern oder auf Bookstagram", bedeutet das oft, dass diese Leute nichts lesen wollen, was sie aus ihrer Komfortzone holt. Aber genau dort, außerhalb dieser Komfortzone beginnt erst das echte Verstehen.
Das Buch als Spiegel und Werkzeug - als Waffe und Heilmittel
Bücher sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie zeigen uns wo wir stehen, und eröffnen gleichzeitig einen Raum für Kritik und Veränderungen.
Bücher sind mächtig. Sie können inspirieren und Hoffnung schenken, aber auch aufrütteln und verstören. Das wussten auch totalitäre Regime schon immer. Sie verbrannten Bücher, verfolgten Autor*innen und zensierten Geschichten, denn ihnen war klar - Worte sind gefährlich.
Ein niedergeschriebener Gedanke ist wie ein Samen. Er wächst in den Köpfen der Leser und blüht auf. Anschließend wird er zu Fragen, zu Zweifeln und zu Erkenntnissen.
Bücher dienen aber nicht nur als Waffe des Widerstands - sie können auch Heilmittel sein.
Für Menschen, die sich in der Realität verloren oder überwältigt fühlen, kann ein Buch auch ein Zuhause bieten - einen Ort der Zuflucht.
Für Menschen, die sich alleine fühlen, kann ein Charakter, der dieselben Kämpfe führt, ein Licht in der Dunkelheit sein.
Bücher geben uns nicht nur Antworten, sie können uns auch den Mut geben, die richtigen Fragen zu stellen.
Bücher verändern die Welt - Wort für Wort
Wenn wir anfangen die politischen Botschaften in der Literatur zu erkennen, bedeutet das nicht, dass wie den Lesegenuss verlieren. Vielmehr eröffnet es uns neue Perspektiven.
Wir können besser verstehen, warum bestimmte Geschichten uns berühren oder zum Nachdenken anregen, warum bestimmte Texte uns wütend oder traurig machen.
Wir leben in einer Zeit, in der Hass, Spaltung und Desinformation immer lauter und präsenter werden. Bücher sind das Gegenstück dazu - Literatur kann uns Trost spenden, uns aber auch provozieren. Wir werden dazu herausgefordert, unsere eigenen Überzeugungen zu hinterfragen, tiefer zu denken und Dinge differenzierter zu betrachten. Genau darin liegt die Stärke der Literatur. Sie lehrt uns Empathie - nicht nur als flüchtiges Gefühl, sondern als einen Akt des Verstehens.
Also was können wir tun?
Lesen - Aber nicht nur das uns vertraute. Wir müssen uns aus unserer Komfortzone trauen und Geschichten von Menschen lesen, die anders leben, denken und fühlen
Fragen stellen - Warum berührt mich die Geschichte? Warum macht der Text mich sauer? Was wird von unserer Gesellschaft und von mir selbst hier gespiegelt?
Teilen - Geschichten sind wie Brücken. Etwas das uns mit anderen verbindet. Nutzen wir unsere Stimmen und sprechen über Bücher, die uns verändert haben, die uns zum Nachdenken angeregt haben. Lasst uns auch Geschichten empfehlen, die unbequem sind, weil sie die Wahrheit nicht verschleiern und weichzeichnen, sondern die Augen öffnen.
Bücher sind Werkzeuge.
Sie können Mauern einreißen.
Oder neue Welten bauen.
Und genau deshalb sind sie nie unpolitisch.
-Egal ob ein Buch, welches offen politische Themen anspricht, oder aber vermeintlich "neutral" bleibt. Es positioniert sich immer in irgendeiner Art und Weise, wenn auch manchmal nur unbewusst
Also: Wenn wir das nächste Mal ein neues Buch zur Hand nehmen, können wir uns die Frage stellen – Welche Welt zeigt mir diese Geschichte? Welche Botschaft steckt zwischen den Zeilen?
Denn eines ist sicher: Bücher sind immer politisch - und genau das macht sie so mächtig. Sie formen unser Weltbild, unsere Werte und unsere Vorstellung von Gerechtigkeit.
Hier sind nun ein paar Zitate, welche die politische Botschaft in Büchern gut verdeutlichen:
Buch










Zitat
"It only takes one desperate generation to change the course of history."
„If we burn, you burn with us“
„I was not a pet, not a doll, not an animal. I was a survivor, and I was strong.“
„Power resides where men believe it resides. It’s a trick; a shadow on the wall.“
„There is no such thing as bad people. We’re all just people who sometimes do bad things.“
„All we have to decide is what to do with the time that is given us.“
„I could easily forgive his pride, if he had not mortified mine.“
„I am the rock against which the surf crashes. Nothing can break me. Nothing can break us.“
„It matters not what someone is born, but what they grow to be.“
„You don't get to choose if you get hurt in this world, but you do have some say in who hurts you.“
Politische Bedeutung
Rebellion, Wandel und dem Kampf gegen ein unterdrückerisches System.
Betont die Macht und den Einfluss einer Generation, die verzweifelt genug ist, bestehende Strukturen in Frage zu stellen und aktiv Veränderungen herbeizuführen.
Symbol des Widerstands & psychologische Kriegsführung
Kampf für ein Gleichgewicht der Macht
Ausdruck von Wut, Entschlossenheit und der Bereitschaft, für Freiheit zu kämpfen.
Symbolisiert Emanzipation und den Beginn von persönlichem Wachstum.
Sich nicht länger von äußeren Erwartungen einschränken lassen und sich als unabhängige, eigenständige Person zu sehen.
Macht ist oft eine Illusion, die nur existiert, wenn die Menschen daran glauben. Politische Intrigen spielen hier eine zentrale Rolle.
Eine tiefgründige Betrachtung von Moral, Verantwortung und den Grauzonen des Menschseins.
Eine starke Aussage in Bezug auf Verantwortung und Handlungsfreiheit. Zwar können wir nicht immer die Umstände wählen, aber unsere Reaktion darauf.
Es ist ein subtiler Hinweis, auf gesellschaftliche Klassenunterschiede und die typischen Geschlechterrollen.
Die Kraft der Freundschaft und des Zusammenhalts macht sie stärker als jede Bedrohung. Resilienz, Mut und weibliche Stärke.
Symbolisiert innere Heilung, aber auch die Solidarität unter Frauen, die gemeinsam gegen innere und äußere Dämonen kämpfen
Ein Mensch wird nicht durch die Herkunft, das Blut oder den sozialen Status definiert, sondern durch die Entscheidungen die er trifft.
Zeitlose Lektion über Selbstbestimmung, Toleranz und den Wert von Entscheidungen im Leben.
Schmerz ist im Leben unvermeidlich, aber macht menschliche Erfahrungen wertvoll. Es geht nicht um die Vermeidung von Schmerz, sondern darum, bewusst Entscheidungen zu treffen, die trotz des Risikos von Verletzungen bedeutsam sind.
Wie ihr sehen könnt ist es ganz egal ob Fantasy oder doch Romance - beide Genres erzählen nicht bloß Geschichten von Abenteuern oder Liebe. Sie bieten uns kraftvolle Kommentare zu Macht, der Gesellschaft und den Kämpfen eines Einzelnen gegen größere Strukturen.
Oft sind genau diese scheinbar "unpolitischen" Werke, die die stärksten politischen Botschaften vermitteln.

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Kommentare
Liebe Kira,
durch deinen Besuch auf meinem Buchblog www.buchleserin.de bin ich auf einen tollen Blog gestoßen. Es ist immer schön, Gleichgesinnte zu treffen und zu sehen, dass die Literatur verbindet.
Über das Thema „Politik in Büchern“ habe ich auch schon viele Gedanken gemacht und habe deinen Beitrag mit Begeisterung gelesen.
Auch ich empfinde es als richtig und wichtig, dass Bücher immer politisch sind.
Noch werden Bücher von echten Menschen verfasst, und diese nutzen selbstverständlich ihr Medium als Ventil für Emotionen und Gedanken, um Gesellschaften zu hinterfragen, Missstände aufzuzeigen und Veränderung anzuregen. Daher empfinde ich es ganz wunderbar, dass in einem ganz „einfachen“ Buch so viel Kraft und Macht steckt.
Liebe Grüße
Doreen (Buchleserin)
Liebe Doreen,
danke für deinen lieben Kommentar!
Ich kann dir da nur zustimmen. Ich finde es auch richtig und wichtig, dass Bücher immer politisch sind. Es kann gar nicht anders sein.
Guten Morgen!
Durch deinen lieben Besuch auf meinem Blog, bin ich nun auch bei dir gelandet und gerade an diesem tollen, differenzierten und gut recherchierten Beitrag hängen geblieben. Gerne verlinke ich ihn in meinem nächsten Bloggestöber (dauert aber noch ein wenig, bis es online geht), damit er noch ganz viele begeisterte Leser findet.
Liebe Grüsse
Daniela
Hallo meine Liebe,
vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich würde mich sehr drüber freuen, wenn du den Beitrag bei deinem nächsten Bloggestöber teilen würdest.
Liebe Grüße
Oh wow. Ich hatte Traenen in den Augen. Dieser Beitrag ist so unfassbar wichtig und so wahnsinnig gut geschrieben. Ich bin begeistert. Vor allem die Zitate am Ende. Das hast du wirklich gut geschrieben <3
Ganz viel Liebe
xoxo Hope
Vielen lieben Dank. Das bedeutet mir wirklich viel!
Liebe Grüße